Frau ließ trauern

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Hauptfriedhof Karlsruhe

Die Trauer ist weiblich. Das ist heute noch so wie vor hundert Jahren. Denn erstens leben Frauen statistisch gesehen tatsächlich länger als Männer (von den ca. 350 ältesten Menschen jenseits der 110 sind die meisten weiblichen Geschlechts) und zweitens sind bei Ehepaaren nach wie vor die Männer in der Regel ein paar Jahre älter als ihre besseren Hälften. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts findet man in der Grabmalkunst (oder im Grabmalkunsthandwerk) häufig so etwas wie Witwen-Darstellungen, besser gesagt: man sieht mehr oder weniger schmerzgebeugte junge Damen in Ganzkörper-Schleiern der zartesten Art – vermutlich als symbolische Personifikation der Witwe als solcher und zugleich als Stellvertreterin der realen, nun wieder alleinstehenden Gattin. Mit anderen Worten: man bzw. frau lässt trauern.

Solche Grabanlagen mit Trauerpersonal konnte sich natürlich nur leisten, wer genug Geld hatte, um sich im wirklichen Leben alle lästigen Dinge gleichfalls von Kindermädchen, Chauffeuren, Köchinnen, Dienstmädchen usw. usf. abnehmen zu lassen. Der mir immer etwas suspekte Begriff der Trauerarbeit erfährt in dieser sepulkralgeschichtlichen Perspektive eine nicht uninteressante Erweiterung seines Bedeutungsumfangs.